Ausgelesen: Zakhar Prilepins „Sankya“

Zum Inhalt: Vielen Jugendlichen im postsowjetischen Russland fehlt es an Orientierung und Halt. Sojusniki nennen sich etwa die jungen Anhänger einer skurrilen Partei, die dem Niedergang des Landes mit einer Mischung aus Punk, Anarchie und Blut-und-Boden-Ideologie begegnen. Feindbilder sind insbesondere der korrupte Staat und der Westen, der in Gestalt zynischer, antinationaler Liberaler Einzug gehalten hat. Es bleibt nicht bei bloßem Gerede, schließlich beginnen die Sojusniki eine aussichstlose Revolution gegen die übermächtigen Gegner.

In der Lobpreisung des Landvolks – den wahren Russen – und der dunklen Beschreibung der Stadt erinnert Prilepins „Sankya“ an die Werke Hamsuns. Allerdings fehlt es dem Buch an sprachlicher Kraft (Übersetzung?). Die Grübeleien des Hauptprotagonisten Sascha – oder auch: Sankya – sind zudem langweilig und unreif (wer braucht solche „Helden“?). Eine selbstmitleidige Verlierer-Philosophie, die schon als Fiktion traurig macht und in ihrer Plattheit beängstigend ist.

Leider handelt es sich nicht um reine Fiktion: Autor Zakhar Prilepin ist Mitglied der schrägen nationalbolschwistischen Bewegung Russlands. Beim Protagonisten handelt es sich offenkundig um sein Alter Ego. Bleibt zu hoffen, dass die aussichtslose Revolution Prilepins Wunschdenken (?) bleibt. Solch blutige Selbstfindung kann die Welt nicht auch noch gebrauchen.

Was ist (noch) Feminismus?

Alice Schwarzer ist out. Andere Namen beherrschen heute die öffentliche Diskussion über Emanzipation und Feminismus. Derzeit beschäftigt etwa Charlotte Roche mit ihrem Buch „Feuchtgebiete“ das Feuilleton. Und auch fern der intellektuellen Debatte, in den Niederungen der Amazon-Kundenrezensionen, wird heiß diskutiert: „Ist das Feminismus der neuen Art oder einfach nur eklig?“
Noch umstrittener ist die Rolle der „Porno-Rapperin“ (TAZ) Lady Bitch Ray (bürgerlich: Reyhan Åžahin) und ihrem „Vagina-Style“. Kämpft Lady Bitch Ray nun für die Emanzipation der (türkischen) Frau oder vermarktet sie nur geschickt ihre Musik („ich will euer Cash“)? Auch hier hat der gesunde Menschenverstand sein Urteil bereits gefällt: die LeserInnenkommentare zu einem Interview der Rapperin in der TAZ sprechen eine deutliche Sprache.

Geben die aufgeregten Reaktionen den beiden Ladys Recht? Anders als Alice Schwarzer gelingt es Lady Bitch Ray und Charlotte Roche offenbar noch, die gegenwärtige deutsche Gesellschaft zu irritieren. Und ist Irritation nicht eine Bedingung für Veränderung? Was liegt hier vor: Emanzipation, Egozentrik oder beides zugleich?

Wer sich sein Urteil noch nicht gebildet hat (oder sich gerne irritieren lassen möchte), der kann online einen aktuellen TAZ-Kommentar zu Charlotte Roche nachlesen. Lady Bitch Ray hat kürzlich dem Deutschlandradio Kultur ein Interview gegeben. Einen aufschlussreichen Abschnitt des Gesprächs kann man hier nachhören.
Alles Blödsinn, Alice Schwarzer ist gar nicht out? Schon möglich: Ein Beitrag mit dem Tenor: „Alice gegen die Alphamädchen“, findet sich auf der Website des Hessischen Rundfunks.